Heike Piehler
"Auswege" in der Galerie Stahlberger
Künstlerinnen und Künstler verfügen von Berufs wegen über ein besonderes Wahrnehmungsvermögen. Sie sind in der Lage, die Dinge ans Licht zu holen, sie zu reflektieren, zum Ausdruck zu bringen und zur Diskussion zu stellen, in ihrer Kunst. Aber ein kultureller Lockdown ist das Gegenteil von alledem. In den Ateliers ist in dieser Zeit eine Kunst ohne Publikum entstanden. Die Galeristin Ria Stahlberger hat das Dilemma des Eingeschlossenseins zum Thema ihrer Ausstellung gemacht: AUSWEGE. Ganz in der Tradition der Romantik bahnen sich die Künstler aus einer unfreiwilligen neuen Innerlichkeit heraus ihre Wege nach draußen.
Konstantin Weber nimmt uns mit seiner großformatigen Rückenfigur mit auf den Weg in den Wald und hinein in die Malerei. Der Betrachter möchte ihr folgen, die Rückenfigur ist – wie bei Caspar David Friedrich – auch Identifikationsfigur. In einer anderen großformatigen Malerei hat Konstantin Weber mit bewegtem Duktus ein
Streichquartett gemalt, bestehend aus vier Musikerinnen und Musikern, die versunken und im Halbkreis dem Betrachter zugewandt ein Konzert geben. „Versunken“ ist hier wörtlich zu nehmen, denn der Künstler hat die Streicher in das unruhige Wasser eines Sees gestellt, eine blau-schwarze Szenerie im fahlen Licht des tief stehenden Mondes. Licht und Dunkelheit gehören zusammen.
Die Wald- und Landschaftsbilder von Patrick Luetzelschwab sind geprägt von einer neblig-trüben Stimmung. Wer genau hinsieht, entdeckt die medizinischen Coronamasken in seinen Bildern, mal offenkundig mitten auf dem Weg, mal nur klein und subtil eingefügt. Es sind diese Masken, welche die Bilder unweigerlich in die Corona-Zeit bannen. Der Künstler hat sich der Drucktechnik verschrieben. Er greift auf ein Archiv von Fotografien zurück oder fotografiert neu, Ausblicke in die offene Landschaft etwa, Baumsolitäre oder symbolhafte Einzelstücke wie die Masken. Die fotografischen Motive unterzieht er einer digitalen Überarbeitung und überträgt sie schließlich für den Siebdruck. Seine Kompositionen erwachsen teilweise aus sich selbst heraus, mit freien, informellen Momenten.
Der Zufall ist auch ein ständiger Begleiter von Niels Tofahrn, wenn er in seinen blauschwarzen Landschaften in der alten Technik der Cyanotypien arbeitet. Zwei andere Werkgruppen stehen mehr unter dem Stichwort der „unfreiwilligen Innerlichkeit“, die für den Lockdown so typisch ist: Mit dem Handy hat er eine Serie von Selfies erstellt, kleine, aber äußerst ausdrucksstarke Seelenportraits, die das Wesen hinter den Gesichtern zeigen, wie wir es z. B. von Francis Bacon kennen. Die tiefgründigen Motive sind in ihrer Ausführung brillant: Niels Tofahrn hat sie auf Aludibond aufgezogen und hinter Plexiglas gelegt. In gleicher Weise sind seine barock anmutenden Architekturfotomontagen ausgeführt. Sie sind in einer Kombination von Fotografie und Video entstanden – ein „Verflüssigen der Motive“, wie er sagt.
Auswege. Patrick Luetzelschwab, Niels Tofahrn, Konstantin Weber | Ausstellung in der Galerie Stahlberger, Pfädlistraße 4, 79576 Weil am Rhein.
Vernissage: Fr. 27. Mai 2022, 19 Uhr | Grußwort: Maik Ebner, Vorstandsmitglied der Sparkasse Markgräflerland. Einführung im Hof: Dr. Heike Piehler
Ausstellung bis 17. Juli 2022 | Di. - Sa. 16:00 - 18:00 Uhr und nach Vereinbarung.
Bild: Einladungskarte Auswege, Galerie Stahlberger
