Heike Piehler
Ulrich Gehret in Staufen
Die Galerie K zeigt in der Solo-Ausstellung Nota Visual – Visuelle Notizen Werke von Ulrich Gehret. Die Vernissage ist am 10. September 2021 um 19 Uhr. Der in seiner Wahlheimat Brasilien und in Berlin lebende Künstler ist ein leidenschaftlicher Vertreter der informellen, gegenstandslosen Malerei. Er entwickelt in seinen Bildern die Stilmittel des Informel weiter und treibt sie zu einem Finale, das keine weitere Steigerung mehr duldet.
Seine Werke beginnt er klassisch auf Holz oder Leinwand (oder beidem), überzieht sie z. T. mit Schaumstoff, überarbeitet und überlagert sie mit immer neuen Schichten, verändert die Komposition, fügt etwas ein oder bricht etwas heraus. In diesem Prozess wirft sich das Bild mehr und mehr auf, absorbiert immense Mengen an Material und wird in seiner Dreidimensionalität zum plastischen, kompakten Objekt mit den Charakteristika einer Assemblage. Es ist ein Schaffensprozess, der sich bisweilen über 20 Jahre erstrecken kann. Das Bild wird im Grunde nicht gestaltet, es entsteht, es wächst, es fügt sich, es ist, wie Gehret sagt, „lebendig“. Letztlich geht es darum, die Wirklichkeit, die Natur selbst einzufangen und zum Ausdruck zu bringen – aber nicht in ihrer Schönheit, nicht als eine Komposition naturschöner Formen und Strukturen, sondern in ihrer ganzen Wucht, bei Gehret hochverdichtet.
Ein verblichener Stoff, ein Stück vermodertes oder verkohltes Holz oder ein altes Fischernetz inspirieren ihn. Texturen wie Schuppen, Netze, das Craquelé aufgerissener, getrockneter Farbe oder die Oberflächenzeichnungen gealterter, verwitterter Materialien ergänzt und steigert der Künstler durch Schraffuren und Strukturen, die er mit dem Pinsel oder Stift aufträgt, einritzt, abschabt oder durch andere Materialien in das Bild eindrückt. Schrauben und zahllose Heftklammern, die sich z. T. wieder ablösen, zeugen von der körperlichen Kraft und der Widerspenstigkeit des schroffen Materials bei der Herstellung der Werke. Einen erstaunlichen Kontrast zu den dichten Strukturen und Texturen erzielt er durch den teilweisen Überzug mit Paraffinwachs. In seiner Glätte und Semitransparenz lässt es, wo es dünner aufgetragen ist, die unteren Schichten durchscheinen. Wo es dick, an den Ecken teilweise mehrere Zentimeter stark aufgetragen ist, zeigt es eine eigene, objekthafte Materialität. Wie eine Eisschicht legt sich das Paraffin auf die Malerei, versiegelt und konserviert die Komposition. Die Farbigkeit seiner Bilder ist geprägt von den Eigenfarben der verwendeten Naturmaterialien und von naturnahen Farben: erdige Töne, Braun und Rostrot sowie alle Abstufungen zwischen Schwarz und Weiß dominieren. Alles verbindet sich untrennbar, formt und verformt sich gegenseitig. Konstruktion und Dekonstruktion sind in einem schöpferischen Prozess ineinander verwoben. Ulrich Gehret betreibt einen existentiellen Kampf von Material und Form. Es ist ein naturnahes bildnerisches Tosen, das uns in seinen Bann zieht.
Ulrich Gehret: Nota Visual, Solo-Ausstellung | Galerie K, Ballrechter Straße 19, 79219 Staufen
Vernissage: Fr. 10. September 2021, 19 Uhr | Einführung: Dr. Heike Piehler
Ausstellung bis 24. Oktober 2021 | Do. - So. 15 - 18 Uhr, oder nach Vereinbarung
Bild: Ulrich Gehret, Cokalo, 1996-2013, Mischtechnik auf Holz, 99 x 69 cm | galerie-k.art
